Loevy

Bronzegießerei S. A. Loevy, Berlin
Firmengeschichte

Die Geschichte der Bronzegießerei S. A. Loevy begann am 1. April 1855 in Berlin. Hier ließ sich der aus der preußischen Provinz Posen stammende Samuel Abraham Loevy (1826-1900) als Gelbgießer nieder. Über die frühen Jahre der "Roth- und Gelbgießerei" ist wenig bekannt. Anfangs in der Großen Hamburger Straße 8 ansässig, zog Loevy 1865 in das traditionell von jüdischen Handwerkern bewohnte Scheunenviertel.
Das Unternehmen entwickelte sich im aufstrebenden Berlin sehr schnell. Schon 1868 wurde in ersten Anzeigen für "Thür- und Fensterbeschläge nach den allerneuesten Modellen" geworben. Zur Berliner Gewerbeausstellung 1879 erhielt die Firma ihre erste Auszeichnung. Zwei Jahre später beteiligt sich die Gießerei bereits an einer internationalen Ausstellung in Brüssel.
Im Jahre 1885 erfolgte die Gründung einer offenen Handelsgesellschaft (oHG). Gleichzeitig fand ein Generationswechsel statt, die Brüder Albert (1856-1925) und Siegfried Loevy (1859-1936) übernahmen den väterlichen Betrieb. Da die Bronzewarenfabrik als Handwerksbetrieb geführt wurde, musste Albert Loevy 1883 als Gelbgießer-Meister der Berliner Innung beitreten. Er setzte die handwerkliche Tradition seines Vaters fort.

Auf der Berliner Gewerbeausstellung 1896 wurde der „Fabrik von Baubeschlägen S. A. Loevy" die "Preußische Staatsmedaille für gewerbliche Leistungen" verliehen, eine Auszeichnung, die über vierzig Jahre die Kataloge und Geschäftspapiere der Firma zieren wird.

Die Kapazitäten im Scheunenviertel reichten bald nicht mehr aus, denn aus der „Roth- und Gelbgießerei“ hatte sich inzwischen eine leistungsfähige Bronzewarenfabrik entwickelt, die neben Bau- und Möbelbeschlägen auch Kamin- und Grabplatten, Garderoben, Balkonverkleidungen, Treppengeländer und Bronzebuchstaben anfertigte. Darüber hinaus war sie auf künstlerische und kunsthandwerkliche Treibarbeiten spezialisiert. So siedelte die Gießerei 1898 in die Gartenstraße 158 um, aus der einige Jahre später die Hausnummer 96 wurde.
Hier vollzog sich das erfolgreichste Kapitel der Firmengeschichte. Albert Loevy übernahm die Rolle des "kaufmännischen Leiters" und Siegfried Loevy war der "künstlerische Kopf" des Unternehmens. Seine Kontakte zu Künstlern und Architekten bestimmten maßgeblich die „modernen Formen“ der Beschläge, die sich durch eine hohe handwerkliche Qualität auszeichneten. Zeitweilig beschäftigte das Unternehmen mehr als 70 Arbeiter.

Ab 1900 beteiligte sich die Firma regelmäßig an großen internationalen Leistungsschauen, so 1900 und 1904 an den Weltausstellungen in Paris und St. Louis und 1902 an der Internationalen Kunstgewerbeausstellung in Turin.
Mit der Lieferung der Beschläge für das Haus Behrens in Darmstadt begann 1901 die Zusammenarbeit mit Peter Behrens (1868-1940), die bis in die frühen 1930 reichte.  Spätestens ab 1905 ließ auch Henry van de Velde (1863-1957) bei Loevy fertigen. In Werbeanzeigen wurde bis zum Beginn des I. Weltkrieges auf Entwürfe der beiden Künstler verwiesen. 

Anlässlich des 50. Betriebsjubiläums erschien 1905 der erste große Katalog, in dem Arbeiten u.a. von Peter Behrens, Henry van de Velde, Patrizier Huber (1878-1902) und Alfred Grenander (1863-1931) zu finden waren. Es war der Beginn einer gezielten Werbung mit den Gestaltern der Beschläge, die 1930 mit dem Jubiläumskatalog zum 75-jährigen Bestehen ihren Abschluss fand.
Für die Bronzearbeiten am letzten wilhelminischen Schlossneubau in Posen wurde Albert Loevy 1910 der Titel "Königlicher Hoflieferant" verliehen. Bereits ein Jahr zuvor erhielten beide Brüder für die Bronzearbeiten am Meininger Theater den Titel "Hoflieferanten des Herzogs Georg von Sachsen-Meiningen".
Seit 1910 war die Firma Mitglied im Deutschen Werkbund (DWB). 
Für Peter Behrens lieferte die Bronzegießerei 1911/12 das Eingangsportal, sämtliche Beschläge und verschiedene andere Bronzearbeiten für das Haus Wiegand in Dahlem. Auch für den Neubau der Deutschen Botschaft in St. Petersburg orderte Behrens die Beschläge und zahlreiche andere Guss- und Treibarbeiten bei Loevy. Die herausragendste Arbeit war dabei zweifellos ein gewaltiges Dioskuren-Paar nach einem Entwurf des Bildhauers Eberhard Encke (1881-1936). Die fast sechs Meter hohe Gruppe war aus Kupfer getrieben und stand auf dem Dach der Botschaft. Leider wurde sie zu Beginn des 1. Weltkrieges zerstört. Eine kleinere Ausführung stand 1914 über dem Eingang zur Festhalle der Werkbund-Ausstellung in Köln.
Der gute Kontakt zu Behrens führte schließlich 1916 zum Auftrag für die Reichstagsinschrift "Dem Deutschen Volke". Nach Behrens typografischem Entwurf wurden die 17 Bronzebuchstaben aus zwei im Befreiungskrieg erbeuteten französischen Geschützrohren bei Loevy gegossen.

Nach dem I. Weltkrieg konnte die Bronzewarenfabrik nur schwer an ihre früheren wirtschaftlichen Erfolge anknüpfen. Es gab noch immer gute Kontakte zu den Werkbund-Architekten, doch Reparationsleistungen und Wirtschaftskrisen lähmten die Bauwirtschaft. In diesem Kontext entstanden 1922 die ersten Gropius-Drücker bei Loevy, die schließlich auch im Sommer 1923 im Versuchshaus des Bauhauses „Am Horn“ in Weimar Verwendung fanden Im Krisenjahr 1923 kosteten die Türdrücker mehrere Millionen Reichsmark.
Mitte der 1920er Jahre verbesserte sich die wirtschaftliche Situation allmählich. Für die heute als „Bauten der Moderne“ bezeichneten Großsiedlungen, Geschäftshäuser und Villen wurden jetzt massenhaft „billige“ Beschläge geliefert. Die Auftragslage führte sogar zur Vergabe von Lohnfertigungsaufträgen und Lizenzen an andere Gießereien und Beschlaghersteller, wie Wehag oder August Engels.
Mit dem Katalog Nr. 6 von 1930 manifestierte Loevy zum 75-jährigen Firmenjubiläum seine Stellung als führende Berliner Bronzewarenfabrik. Neben den schon genannten Architekten, wurden Entwürfe von Erich Mendelsohn (1887-1953), Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969), Heinrich Straumer (1876-1936) und Wilhelm Wagenfeld (1900-1990) angeboten. Gleichzeitig präsentierte sich das Unternehmen in einem neuen Erscheinungsbild. Die Buchstaben „SAL“ wurden zum Logo geformt, das gelegentlich auch als Gussmarke Verwendung fand.
Bereits ab 1928 ging Loevy gegen einzelne Hersteller des Gropius-Drückers gerichtlich vor. Mit dem Urteil vom 14. Januar 1933 verlor die Firma bekanntermaßen den Prozess vor dem Reichsgericht. Sicherlich war dies ein großer finanzieller Verlust für die Firma, doch hat dies nicht zur Aufgabe geführt. Viel schwerwiegender war für das jüdische Unternehmen die Machtergreifung der Nationalsozialisten.

Nach Hitlers Machtantritt wurde es für das jüdische Unternehmen zunehmend schwerer, seine Produkte zu verkaufen. Bereits 1934 musste das Firmengelände in der Gartenstraße 96 an die Deutsche Reichbahn veräußert werden. Die Firma zog daraufhin in die Neuenburger Straße 29 nach Berlin-Kreuzberg. Schon die Umbaugenehmigung war mit Produktionseinschränkungen verbunden und ein Direktvertrieb kaum noch möglich. Ein letzter bescheidener Katalog erschien um 1935. Während andere Hersteller die Moderne durchaus noch in ihren Katalogen reflektierten, waren bei Loevy ausnahmslos nur noch Stilbeschläge im Angebot.

Die Gießerei wurde ab 1936 noch für kurze Zeit von Ernst Loevy, dem Sohn Albert Loevy’s weitergeführt, musste aber im Sommer 1939 zwangsweise verkauft werden. Sie wurde arisiert und ging 1945 in den Trümmern des Dritten Reiches unter. Ernst Loevy wurde 1944 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.
Seit Oktober 2001 erinnert eine Gedenktafel am Reichstag an das Schicksal der jüdischen Familie und das Jüdische Museum Berlin widmete ihr 2003 eine umfangreiche Ausstellung.
 
Lit.: S. A. Loevy, Moderne Beschlage für Türen und Fenster, 1905 / S. A. Loevy, Türdrücker, Fenstergriffe in modernen Formen und nach historischen Originalen, 1925 /  S. A. Loevy, Türdrücker, Fensterbeschläge in modernen und historischen Stilarten, 1928 / S. A. Loevy, Billige Qualitätsbeschläge nach Künstlerentwürfen in Messing und Neusilber für Türen und Fenster, 1929 / S. A. Loevy, Moderne Baubeschläge, Bronze-Konstruktionen, Bronzeguss und Treibarbeiten, 1930 / Harald Wetzel, In modernen Formen und nach historischen Originalen. Die Bronzegießerei S. A. Loevy in: Dem Deutschen Volke. Die Geschichte der Berliner Bronzegießer Loevy, hrsg. von Helmuth F. Braun und Michael Dorrmann im Auftrag des Jüdischen Museums Berlin, Köln 2003
Loevy-Anzeige im Berliner Adressbuch, 1868
Henry van de Velde im Loevy-Katalog Nr. 1, 1905
Loevy-Anzeige aus Berliner Architekturwelt, 1911
Loevy-Türdrücker von Peter Behrens im Haus Wiegand, 1912
Dioskuren-Gruppe für die Deutsche Botschaft in St. Petersburg, um 1912
Loevy-Katalog Nr. 4, 1925
Loevy-Anzeige aus der Zeitschrift Bauhaus , 1929
Loevy-Anzeige aus der Zeitschrift  Die Baugilde
Loevy-Katalog Nr. 6, 1930
Wolfgang Thierse: Enthüllung einer Gedenktafel für die Loevys am Reichstag, 2001
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